In Rom soll es ja mehr als 365 Kirchen geben. Die kleine Nikolauskirche zählt nicht zu jenen, in welche täglich tausende Touristen strömen, um Kunstwerke zu bewundern.
Und doch handelt es sich bei San Nicola in Carcere um ein höchst bemerkenswertes Gebäude, das in seiner Art typisch römisch ist. Hier wird eine Brücke von der Antike bis in die Gegenwart geschlagen.
Die Kirche liegt neben dem Marcellustheater an der Straße von der Piazza Venezia zur Bocca della verita bei der Kirche Santa Maria in Cosmedin, also durchaus an einem römischen Touristenpfad.
Ihr Äußeres ist nicht pompös, fällt aber durch eine architektonische Mixtur auf, die Jahrtausende vereint und sichtbar macht.
In der Antike befand sich hier neben dem Marcellustheater das Forum Holitorium, der Gemüsemarkt, der sich bis hin zum Tiberhafen erstreckte. Während des Ersten Punischen Krieges (212 v.Chr.) und etwas später (197 - 194 v. Chr.) wurden hier drei Tempel errichtet:
Nach Auflassung der Tempel in der Spätantike wurde einer dieser Tempel im Frühmittelalter als Gefängnis ("in Carcere") genutzt.
Mitte des 11. Jahrhunderts erfolgte die Umgestaltung des Komplexes zur Kirche. Der mittlere der drei Tempel (Junotempel) wurde vollständig in die Kirche verbaut. Die Zwischenräume zu den beiden angrenzenden Tempeln bildeten die Seitenschiffe der Kirche. Die Überreste des nördlichen und südlichen Tempels sind jeweils an den Außenwänden der Kirche zu sehen, Säulenreihen, die mit Mauerwerk verschlossen sind.
Seit kurzer Zeit ist der Untergrund der Kirche begehbar, wo die Sockelanlagen der Tempel zu sehen sind.
Die Nutzung der antiken Gebäude durch eine Christengemeinde wird für das 8. - 9. Jahrhundert angenommen. Die einflussreiche römische Familie der Pierleoni bewohnte das zur Festung umgebaute Marcellustheater. Die nebenanliegende Kirche zum Heiligen Erlöser (heute Nikolauskirche) betrachteten sie mehr oder weniger als ihr Eigentum. Der dieser Familie nahe stehende Papst Urban II. widmete diese Kirche dem Heiligen Nikolaus, dessen Gebeine 1087 von Myra (heute Türkei) nach Bari verbracht worden waren.
1099 ist San Nicola unter Papst Paschalis II. bereits die Titelkirche eines Kardinaldiakons, was sie bis heute geblieben ist. 1128 erfolgte unter Papst Honorius II. ein Umbau der Kirche. Ein Fresko aus dieser Zeit befindet sich heute im Vatikanischen Museum.
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erfolgte die Barockisierung der Kirche. 1599 führte Giacomo della Porta die Fassade an der Straßenseite auf.